Anerkennung beim Denkmalpflegepreis

Anerkennung beim Denkmalpflegepreis für in neuer Schönheit erstrahlende Treppenhäuser

malerwerkstätten.com Leipzig hat eine von zwei Anerkennungen bekommen beim Denkmalpflegepreis 2022 der Handwerkskammer zu Leipzig. Der Preis wurde auf der „denkmal“-Messe am 25. November verliehen. Es ist wie eine Zeitreise in das Jahr 1890: Die spiegelsymmetrischen Ornamente an den Wänden sind harmonisch gestaltet, sie leuchten dezent in gedeckten Farben. Still und matt fällt herbstliches Tageslicht durch das Holzfenster, leise knarren die Eichendielen.

Eine Atmosphäre fast wie in einem behaglichen Wohnzimmer der Gründerzeit. Die Augen sind auf Rundschau nach etwas Bequemen für fünf Minuten Pause, nach einem Sessel oder einem Sofa. Und sehen Treppenstufen …
Jäh zerreißt ein surrender Ton die Stille, das Smartphone holt zurück ins Hier und Jetzt.

Der Blick streift wach umher und bestätigt: Nein, das hier ist kein Wohnzimmer, es ist ein Treppenhaus. Wenn auch mit großer Wahrscheinlichkeit eines der schönsten in und um Leipzig.

Eins der beiden eindrucksvoll wiedererstandenen Treppenhäuser.
Foto: malerwerkstätten.com (Sven Winter)

Holger Köhler weiß so einiges über das Grundstück: „Das vierstöckige Wohngebäude hier im Stadtteil Sellerhausen-Stünz wurde um 1890 vollendet. Genau genommen sind es zwei Mietshäuser, die Wurzner Straße Nummer 143 und 143 b – mit gemeinsamer Toreinfahrt zur Straße und zwei Treppenhäusern auf der Hofseite.“

Das keilförmige Grundstück ist groß, es endet hinten an den Eisenbahnschienen, die Leipzig mit Dresden verbinden. „Im Hof gibt es an der Seite und in der Mitte mehrere Gebäude und einen sanierten, nicht mehr genutzten Schornstein. Doch wer hier einst welches Gewerbe betrieb, wissen wir nicht genau.“

Der 44-Jährige kennt das Grundstück aus beruflichen Gründen: Die Gebäude-Einheit ist „Schützenswertes Kulturdenkmal“ nach Paragraph 2 des „Gesetzes zum Schutz und der Pflege der Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen“ (und dessen Kürzel SächsDSchG unaussprechlich). So kam es, dass ihm als Restaurator der Auftrag erteilt wurde, die originalen Farbfassungen in den beiden Treppenhäusern und in den Tordurchfahrten herauszufinden.

Mit dem Ziel, diese wieder in ursprünglicher Schönheit neu erstehen zu lassen. Er machte sich ans Werk – und erstellte nach umfangreichen Untersuchungen das 90-seitige Dokument „Analyse der Farbfassungen im Objekt Wurzner Straße 143/143b“.

Seit fünf Jahren arbeitet Holger Köhler beim Unternehmen malerwerkstätten.com in Leipzig und ist als Leiter des Restaurierungs- und Dekorationsmalerteams verantwortlich für fünf Fachhandwerker. Fünf von 120 Mitarbeitern, die das Rückgrat des Unternehmens bilden.

Das Unternehmen malerwerkstätten.com ist als mittelständiges Handwerksunternehmen seit 15 Jahren in den Regionen Leipzig, Halle (Saale), Dresden und Chemnitz erfolgreich tätig. Seitdem hat es weit mehr als 1.000 Projekte fertiggestellt.

„Die beiden Treppenhäuser und die zwei Durchfahrten waren in mäßigem Zustand – mit Nässeschäden als Putzabsprengungen und Salzausblühungen. Besonders gravierend waren diese bei der hinteren Durchfahrt“, erinnert sich der Diplom-Ingenieur, der an Leipzigs Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur sein Fachwissen erworben hat.

„Die erste Fassung ist hinsichtlich ihrer gestalterischen und farblichen Merkmale fast vollständig nachvollziehbar und als gestalterisch wertvoll einzustufen“, schrieb er in seiner Bestandsaufnahme. „In den Treppenhäusern wurde eine zweite, gestalterisch wertvolle Fassung sondiert und in der Befunddokumentation aufgeführt.“

Die rekonstruierte Tor-Durchfahrt.
Foto: HWK Leipzig, Holger Zürch

Zum Zeitpunkt der Untersuchung war die originale Putzschicht an Wänden und Decken fast vollständig erhalten. An der Deckenfläche sind florale Motive erkennbar, die nicht gleichförmig, sondern alternierend gestaltet waren.
Probesuchungen der Malereien wiesen auf die Gestaltung in Freihandmanier hin.

Grundsätzlich gab es die Kombination von Freihand- und Schablonierarbeiten sowie diversen Linierungen. Jedoch ließen sich die die oberen Malschichten nur sehr schwer von der originalen trennen.

Im Oberwandbereich unter der Decke ebenfalls florale Gestaltungen in Freihandtechnik ausgeführt. Es sind stoffartige Gehänge erkennbar. In manchen Bereichen haben sich der Malträger und die darauf liegenden Malschichten durch eingedrungenes Wasser großflächig vom Mauerwerk gelöst.

Innerhalb der Rahmung war ein großformatiges Ornament – ein Brokat – in Schabloniertechnik angebracht. Weiterhin ist auf einem monochromen Fond ein polychromes Ornament in Schabloniertechnik angebracht. Der untere Wandabschluss wird durch einen monochromen, bräunlichen Sockel gebildet, auf dem eine stiltypische Steinimitationsarbeit nachweisbar ist.

Um den Eindruck von montierten Steinplatten entstehen zu lassen, wurde der Sockel durch eine Bänderung in einzelne Kassetten unterteilt.

Etwa eine Generation später, also 20 bis 30 Jahre nach Erbauung und Erst-Ausmalung, gab es eine Renovierung. Das belegen die geometrischen Ornamente, die in Schabloniertechnik im Bereich der Wände und Decken ausgeführt sind.

In einem Treppenhausbereich fand sich in einer Rundnische eine Illusionsmalerei – eine fensterartige Mauerwerksöffnung mit Blick in eine idyllisierende Landschaft. Die Situation wurde aufgenommen und in einem gesonderten Bericht erfasst.

Weiter berichtet Holger Köhler: „Die Rahmen und Blätter der Wohnungseingangstüren und Türen der ehemaligen Abstellkammern weisen im Original eine Holzimitationsarbeit in grünen Farbtönen auf. Die Treppenanlage bestehend aus Treppenwangen, Setzstufen und Laufunteransichten sind im Original materialsichtig und mit einer ölhaltigen Lasur im Farbton Nussbaum versehen.

Die Handläufe und Geländerstäbe wurden identisch behandelt und weisen eine Lasur in Eiche auf, wobei das Material direkt auf das Holz aufgebracht wurde. Die Handlaufhalter sind schwarz gestrichen.“

Die erste nachweisbare Fassung im Bereich der Durchfahrten und Treppenhäuser lässt sich nahezu vollständig darstellen. Die Wand- und Deckenflächen der vorderen Durchfahrt müssen in erhöhtem Umfang freigelegt werden, um die gestalterischen Merkmale nachvollziehen zu können.

Die Gestaltung sämtlicher Bereiche kann durch eine Rekonstruktion erfolgen. Die ursprünglichen Kasein- und Leimfarben können entsprechend dem Stand der Technik durch haltbare Dispersionsfarben oder Acrylate ersetzt werden. Es sollte allerdings darauf geachtet werden, dass sie in Mattigkeit oder Glanz den Ursprungsfarben entsprechen.

„Es ist empfehlenswert, vor Beginn festgelegter Renovierungen Farbachsen anzulegen und die Gestaltung mit der verantwortlichen Behörde für Denkmalschutz abzustimmen. Des Weiteren sollten die im Zuge der Analyse beigebrachten Befundstellen mindestens bis zu den notwendigen Absprachen mit der Behörde für Denkmalschutz erhalten bleiben.“

Für die Arbeiten hatten Köhler und seine Kollegen nun eine gute fachliche Grundlage. Mit Zuversicht ging es ans Werk, jeder Tag brachte neue Erfahrungen – und die Erkenntnis für die hochwertige Arbeit der ursprünglich dort tätigen Malerkollegen aus der Zeit um 1890.

Zustand vor der Rekonstruktion.
Foto: malerwerkstätten.com (Sven Winter)

Das hohe Niveau der Rekonstruktions-Arbeiten wird auch offiziell bestätigt: „Die Auflagen der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung wurden durch die Firma Pleier vollständig und in hoher handwerklicher Qualität umgesetzt“, heißt es von der Denkmalschutzbehörde. „Das erfolgte in enger Abstimmung mit der unteren Denkmalschutzbehörde von Ort. Grundlage für die Ausführung war die restauratorische Befunduntersuchung und Dokumentation, deren Inhalt vollständig umgesetzt werden konnte. So konnte ein wichtiges Beispiel gründerzeitlicher Dekorations-Malerei wieder erlebbar gemacht werden.“

Die jetzt in alt-neuer Schönheit erstrahlenden Treppenhäuser und Tor-Durchfahrten – sie waren ursprünglich Beleg für den damaligen gehobenen bürgerlichen Zeitgeist und das Selbstverständnis einiger Bauherren, denen es um mehr ging als „nur“ um die stilvoll gestaltete Fassade ihres Hauses.

Zum Schluss verweist Köhler noch auf einen erfreulichen Effekt dieser besonderen Treppenhäuser: „Wir haben von der Hausverwaltung die Rückkopplung, dass die Mieter hier vorsichtig und rücksichtsvoll entlanggehen. Es gibt deutlich weniger Schmutz- und Schadstellen als in herkömmlichen, weiß gestrichenen 08/15-Treppenhäusern.“

Er schaut sich prüfend um – und ist mit dem, was er sieht, offenkundig zufrieden. „Für mich ist diese Sorgfalt auch ein Zeichen für den Respekt vor unserer Arbeit.“

So erschienen als Gastbeitrag von Holger Zürch in der Leipziger Zeitung

Ausführung historischer Maltechniken | Wurzener Straße
Restaurator Holger Köhler. Foto: HWK Leipzig, Holger Zürch
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